Zusammenfassung
Unser weltweit nahezu einmaliges duales Krankenversicherungssystem aus gesetzlicher
und privater Krankenversicherung ist historisch gewachsen. Es trägt aber nicht dazu
bei, die Herausforderungen für die künftige Absicherung des Krankheitsrisikos zu bezahlbaren
Preisen zu bewältigen. Ausgangspunkt für einen zukunftsfähigen Krankenversicherungsmarkt
muss eine stärkere Ausrichtung am Patientennutzen und den Verbraucherinteressen sein.
Die Vorstellung, dass es den Patienten/Versicherten gut geht, wenn es den Leistungsanbietern/Krankenversicherungen
gut geht, muss umgekehrt werden: Den Leistungsanbietern und Krankenversicherungen
sollte es dann gut gehen, wenn es den Patienten/Versicherten gut geht. Die wesentlichen
Essentials eines integrierten Krankenversicherungsmarktes liegen daher in einer rechtlich
garantierten Wahlfreiheit und einem faktisch realisierbaren Wechselrecht der Versicherten
in einem wettbewerblich orientierten Krankenversicherungssystem. Der Wettbewerb ist
dabei stringent versorgungs- statt vertriebsorientiert auszugestalten. Die demografische
Entwicklung ist auf der Ausgabenseite nicht das zentrale Problem der Krankenversicherung,
vielmehr ist diese Herausforderung (zwischenzeitlich mehrfach nachgewiesen) beherrschbar.
Der Einfluss auf Preis, Menge und Qualität der Leistungen ist und bleibt vielmehr
der entscheidende Faktor für die zukunftsfeste Ausgestaltung eines finanzierbaren
Krankenversicherungsschutzes. Die konkrete Ausformung der evidenzbasierten Medizin,
eine konsequentere Nutzenbewertung und eine stringentere Orientierung an (in Teilen
noch zu definierenden) Qualitätsmaßstäben sind Merkmale für eine erfolgreiche zukunftsfähige
Aufstellung eines reformierten Krankenversicherungsmarktes – das heutige duale Versicherungssystem
von GKV und PKV leistet dazu keinen Beitrag. Für die Ausgestaltung eines integrierten
Krankenversicherungsmarkts sind die „Spielregeln“ gewichtiger als die Rechtsformfrage,
die nachrangig zu beantworten ist. Nach der Bundestagswahl hat die Gesundheitspolitik
die Chance, den bisherigen „schleichenden“ Prozess einer Konvergenz der Krankenversicherungssysteme
in einen aktiven Prozess in Richtung eines gemeinsamen, integrierten Krankenversicherungsmarkts
zu wandeln.
Abstract
Our dual health insurance system, a system comprised of both statutory and private
health insurance and almost unique in the world, has been shaped by history. Yet despite
its gradual formation over time, it makes no contribution towards overcoming the future
challenge of continuing to provide good quality health care at affordable prices.
The starting point for a sustainable health insurance market must be greater focus
on patient benefit and consumer interests. The idea that the patient/policyholder
does well when the provider/health insurance company does well must be reversed: The
provider and health insurance company should do well when the patient/policyholder
does well. The essentials of an integrated health insurance market therefore rest
in a legal guarantee of the right to choose insurer and a de facto right to switch
provider in a system based on competition with competition strictly based on care
and not on the market. In terms of expenditure, the demographic trend is not the central
problem faced by health insurance companies – this challenge is surmountable (as has
meanwhile been proved on numerous occasions). Rather, the impact on price, quantity
and quality of service is and remains the crucial factor in the sustainable provision
of affordable health insurance. The actual shaping of evidence-based medicine, consistent
evaluation of benefit and a stricter focus on quality benchmarks (yet to be defined
in some areas) are the central features of a successful and sustainable plan for a
reformed health insurance market. Yet today's dual system of statutory and private
health insurance makes no contribution to this. For the shaping of an integrated health
insurance market, the “rules of the game” are more important than the question of
legal form which can be answered later. After the general election, there is the opportunity
in health policy to turn the present “creeping” convergence of the health insurance
system into an active process towards a joint integrated health insurance market.
Schlüsselwörter
integrierter Krankenversicherungsmarkt - Konvergenz - gesetzliche Krankenversicherung
- private Krankenversicherung - Patientenorientierung - demografische Entwicklung
- medizinsicher Fortschritt
Key words
integrated health insurance market - convergence - statutory health insurance - private
health insurance - patient orientation - demographic trends - medical progress